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The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

AutorenbildFabian Kremser

Angst und Meinung

Okay, zugegeben, die letzten Tage waren hier nicht eitel Sonnenschein. Ich habe mir mehrfach überlegt, ob ich da nicht zu harsche Worte gefunden hatte um an sich schöne Dinge wie Träume und Selbstverwirklichung zu beschreiben. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

Klar ist für mich derzeit vor allem eines: mit Flucht vor der Realität ist niemandem gedient, niemals. Da spielt es keine Rolle, ob man sich selbstständig machen möchte, man eine sportliche Höchstleistung erbringen will oder ob man ganz einfach nicht mehr in Angst leben mag. In jedem dieser drei Fälle ist es ein guter, erster Schritt, sich einmal ganz deutlich mit der Realität auseinander zu setzen.


Gestern stolperte ich im Internet über folgendes Bild:

Natürlich ist hier einmal mehr nicht von der Hand zu weisen, dass es auf das allgegenwärtig Thema "Corona" abzielt. Gleichzeitig zeigt es mir aber auch wieder einmal, dass exakt dieses Problem schon länger vorhanden - es wird derzeit nur sehr deutlich. Schon vor einiger Zeit habe ich mich einmal darüber ausgelassen, dass diverse Filme und andere Medien sehr gut auf den Punkt bringen, wie sehr es in unserem kollektiven Bewusstsein verankert ist, zu jeder Zeit den Spatz in der Hand der Taube auf dem Dach vorzuziehen. Konkret: JETZT etwas unternehmen, weil DANN einmal etwas passieren KÖNNTE, kommt für ganz viele Menschen nicht in Frage. JETZT auf etwas zu verzichten, weil in 20 Jahren etwas negatives auftreten KÖNNTE... nein. JETZT in etwas investieren, weil man in 10, 20 Jahren dann vielleicht anders leben KÖNNTE... nein.


Eigentlich ist es müssig sich zu überlegen, wie es dazu kommen konnte, dass wir in eine einzige, grosse Komfortzone geraten sind, die uns, ja, nach und nach umbringt. Denn: egal, wie sehr wir uns den Kopf zerbrechen darüber, wo wir als Gesellschaft oder Spezies falsch abgebogen sind, es spielt keine Rolle. Es gibt keine Macht auf der Welt oder daneben die es uns ermöglichen würde, zurückzugehen und etwas anders zu machen. Der Konjunktiv II ist hier überflüssig: nein, es hätte NICHT irgendwie anders kommen können.


Und damit sind wir im Hier und Jetzt angelangt. Und auf einmal wird das Handeln der Einzelnen zum Wohle der Allgemeinheit nicht mehr etwas, das man bequem auf später verschieben kann, sondern etwas, das JETZT und HEUTE von uns gefordert wird. Und zwar auf allen Ebenen, inklusive dem Staat, zu dem wir, wie es der Philosoph Richard David Precht so treffend formuliert, in den letzten Jahren ein Verhältnis entwickelt haben, das eher dem eines Kunden zu einem Dienstleister entspricht denn einer funktionierenden Gesellschaft. Wir werden also in die Pflicht gerufen - und das stinkt vielen Gewaltig.


Ob das aus Angst geschieht, die eigene Bequemlichkeit einschränken zu müssen, ob es tatsächlich aus Angst geschieht, die eigene Gesundheit zu gefährden oder ob es aus Angst geschieht auf einmal zu realisieren, dass man doch nicht so einzigartig ist, wie man es gerne wäre, ist einmal mehr nicht wirklich von Belang. Was für mich bezeichnend und vor allem offensichtlich ist, ist die Tatsache, dass hinter all dem Unmut, all der Wut und all dem Hass, der momentan gerne und in grosszügigen Portionen überall verteilt wird, vor allem eines steht: ANGST. Und zwar die Angst davor, dass sich die eigene Blase, in der man sich eingesammelt hatte, in Wohlgefallen auflösen könnte.


Also krallen wir uns verzweifelt an das alte Prinzip, welches mit der Frage beginnt: "Ja, bin ich denn der / die Einzige hier, dem / der es so-und-so geht?"


Die Antwort war und wird immer sein: Nein, bist du nicht. Es gibt derzeit etwas um und bei 8 Milliarden Menschen auf dem Planeten. Die Chance, dass man mit einer Meinung, einer Angst, einem Gefühl alleine da steht, ist schon rein statistisch gesehen vernichtend klein.


Was hingegen neu ist, oder zumindest verhältnismässig neu, ist die Tatsache, dass man sich unterdessen ohne Zeitverzögerung mit anderen kurzschliessen kann, denen es gleich geht. Und das wiederum bedeutet, dass "Recherche" am Ende zu genau dem wird, was das oben abgebildete "Meme" zeigt: Der Mangel an Bildung und an objektiver Information lässt uns im Internet nach der Bestätigung dafür suchen, dass unsere kleine, heile Welt eben doch nicht bedroht ist, dass das, was ich gerne als wahr erachten würde, eben auch tatsächlich wahr IST, dass das alles nur eine riesige Verschwörung von ganz bösen Menschen ist, die und unser Seelenheil madig machen wollen.


Erinnert ihr euch? "Ich lasse mir doch von der Realität nicht vorschreiben, was ich wahrnehme..."


Es macht mich traurig. Unterm Strich bin ich nämlich ganz ehrlich NICHT der Meinung, dass da irgend ein grosser, böser "Deep State" mit beschäftigt ist, Herrn und Frau Müller, diese geistige Elite des Landes, über Impfungen, Mikrochips und Datenanalyse zu versklaven und sich anschliessend in den Minen von Moria zu Tode schuften zu lassen. Ich glaube tatsächlich, dass die einzige Verschwörung, die tatsächlich im Gange ist, jene ist, eben den Vorgarten der Müllers zu schützen. Da es aber Menschen sind, die am Ende die Entscheidungen treffen, werden Fehler gemacht. Das muss man nicht gut finden, auch nicht verzeihen. Doch sollte man sich deswegen dazu hinreissen lassen, einen anders denkenden und fühlenden Menschen zu verachten, zu beschimpfen oder ihm / ihr gar den Tod zu wünschen?


Es ist nicht die Politik, die einen Keil in die Gesellschaft treibt. Wenn man mal nur für eine Sekunde annimmt, dass die Regierungen tatsächlich das ihnen bestmögliche unternehmen, die Bevölkerungen zu schützen, könnte man das eine oder andere erkennen. Zum Beispiel, dass die Regierungen, ja, nicht unfehlbar sind. Auch nicht perfekt. Klammert man diese Instanz jedoch einmal aus, landet man sofort eben bei jener Bevölkerung. Und was ich dort sehe, macht mir deutlich mehr Angst. Die Forderung zum Beispiel, die Regierung abzusetzen und "wieder Volksbestimmt zu handeln, in einer richtigen Demokratie"... irgendwie klingt das wie etwas, das vor knapp 80 Jahren in China einen ziemlich unguten Stein ins Rollen brachte. Und mit "Volksbestimmt" ist ja auch am Ende nicht gemeint: das stimmberechtigte Volk entscheidet. (Newsflash: das ist in der Schweiz schon so, und zwar recht lange und erfolgreich). Was es tatsächlich heisst ist: "Ich / wir wollen, dass alles so gemacht wird, wie es UNS am besten passt und dass das Land von jenen regiert wird, die gleich denken wie ich!"


Das ist die politische Version der YouTube-Suchanfrage "What I want to be true". Ich will mir gar nicht ausmalen was passiert, wenn das einmal Programm wird...


Was ich mich an dieser Stelle frage ist: kann man das noch aufhalten? Kann man da noch irgendetwas dagegen tun?


Ich denke, ja. Und zwar ganz einfach, indem wir anerkennen, dass es eben NICHT die Regierung ist, die den besagten Keil immer weiter vorantreibt und ihn auch schön anspitzt. Sondern dass WIR es sind. Wir, die wir gemeinsam leben und miteinander umgehen. Wir, die wir unsere eigene Meinung, egal wie dämlich oder fundiert gut sie auch sein mag, über das stellen, was uns als Menschen auszeichnet, auszeichnen könnte: die gegenseitige Empathie, das Miteinander, das Füreinander.


Macht jemand mit?


Herzlich,

Fabian


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