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The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

AutorenbildFabian Kremser

Die Welt gegen mich

Wer kennt es nicht, das Gefühl, dass sich alles gegen einen verschworen hat? Dazu braucht es nicht einmal unbedingt einen besonders schlechten Tag. Manchmal geht auch so irgendwie alles schief und objektiv zu bleiben ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Wenn man mit den Erklärungen und Rechtfertigungen nicht mehr weiter kommt, ist es Zeit, den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen. Was etwas unglücklich formuliert ist, denn: das geschieht nicht aus freien Stücken oder aufgrund einer Entscheidung. Es ist vielmehr eine Schutzreaktion, die verhindern soll, dass man sich komplett machtlos fühlt.


Gerät man einmal in diesen Strudel hinein, ist es noch einmal schwerer, aus dem Teufelskreis auszubrechen, denn man beginnt, sich wieder und wieder bestätigt zu sehen. Hier beginnt man, alles auf sich zu beziehen und, vor allem, es auch persönlich zu nehmen.


Anzeichen dafür, dass man diesen Schritt und die damit zusammengehörenden Denkmuster zu adaptieren beginnt finden sich vor allem in der Kommunikation. Äusserungen wie "Wenn ich jetzt X mache, dann werden / wird Y bestimmt wieder soundso reagieren, das weiss ich!"


Ein wenig konkreter: "Wenn ich jetzt das Essen heute Abend absage, um mein Training in den Vordergrund zu holen, bekomme ich sicher wieder zu hören, dass ich die Familie vernachlässige". Oder: "Wenn ich heute Abend keinen Alkohol trinke, werfen mir meine Freunde sicherlich wieder vor, mich abzusondern". Oder: "Wenn ich im Restaurant lieber Salat esse als ein Steak, werde ich sicher wieder von den anderen ausgelacht".


Ich muss hier eines vorweg nehmen: wenn solche Dinge auf Erfahrungswerten basieren, also tatsächlich geschehen sind und demnach eine reale Chance darstellen, tatsächlich wieder die Reaktion auf das eigene Verhalten darzustellen, ist das eine Tragöde sondergleichen und man sollte sich dringend entweder professionelle Hilfe holen, das gesamte Umfeld austauschen oder sogar beides. Es trifft mich immer wieder hart, wenn mich mitbekomme, wie unendlich kalt und grausam Menschen zueinander sein können, sogar - oder vor allem - wenn sie sich nahestehen. Zum Glück ist das jedoch nicht die Regel, sondern die tragische Ausnahme.


Die Regel sieht hier vielmehr so aus, dass diese Szenarien einzig und allein im Kopf, in unserer Vorstellung existieren. In den aller, allermeisten Fällen ist nichts von dem, von dem man überzeugt ist, dass es "die anderen" tun werden, schon gar nicht "wieder", jemals geschehen.


Wir sind jedoch in der Lage, uns selbst derart destruktive Szenarien so bildlich vorzustellen, dass sie in unserer Imagination realer werden als sie es jemals sein können. Das geht so weit, dass wir uns physisch krank machen können.


Ich weiss nicht mehr, wie viele hitzige und teils brutale Streitgespräche ich schon mit den verschiedensten Menschen geführt habe... unter der Dusche. Oh, teils auch beim Laufen, beim Kochen, überall wo derartiges nichts zu suchen hat. Und bisher war es jedes einzelne Mal so, dass sich das tatsächliche Gespräch am Ende komplett anders entwickelte und stattfand, als es in meinem Kopf der Fall gewesen war.


Kurz: viel Lärm um nichts. Ich hatte mich teils Tage, ja, Wochenlang wahnsinnig gemacht, hatte in mir Wut, Angst, Aggressionen aufgebaut und war überzeugt davon, dass das bevorstehende Gespräch nun eine absolute Katastrophe werden würde, wenn es denn so weit war. Und immer verlief es am Ende komplett anders.


Ich war auch schon auf der anderen Seite dieser Medaille. Als Coach und Trainer ist das etwas, das irgendwie mit dem Beruf zusammenhängt. Da musste ich auch schon das eine oder andere Mal erleben, wie ich in der mentalen Welt eines Athleten von Tag zu Tag zu einer grösseren Bedrohung der eigenen Existenz wurde. Der Auslöser war immer der Gleiche: Der Athlet war mit riesigen Ambitionen zu mir gekommen, hatte durch etwas Talent auch ein wenig Erfolg einstreichen dürfen und wollte nun hoch hinaus. Egal, wie sehr ich gleich zu Beginn betonte, dass es Phasen geben würde, in denen der Fortschritt weder sichtbar noch sonstwie deutlich wäre. Dass ein Punkt kommen würde, von dem an es nur eines gäbe: Harte und regelmässige, disziplinierte Arbeit. Dass es Geduld brauchen würde. Und dass man es sich mit den kommunizierten Ambitionen nicht erlauben könne, locker zu lassen und / oder nicht alle Register zu ziehen.


Dem wurde zu Beginn so lange und so enthusiastisch zugestimmt, bis der besagte Punkt eben dann kam und es auf einmal hiess: NEIN, dieses Training war nicht gut, achte das nächste Mal besser darauf. HIER musst du noch arbeiten, DAS sollten wir angehen. Und egal, wie oft ich dabei betonte, dass wir immer nur das tun würden, wozu der Athlet auch bereit war, das Ergebnis war immer das Gleiche: eher früher als später wurde der Trainer zum Feindbild. "Wenn ich jetzt so trainiere, wie es mir Spass macht, heisst es nachher wieder, dass es falsch war"...


In diesem Fall ist das nochmals eine andere Sparte. Denn: Hier stehen sowohl der Coach als auch der Athlet vor dem Problem, dass das Talent erschöpft war und die Arbeit begonnen hatte. Und die konnte nicht immer Spass machen. In diesem Fall hiess es dann tatsächlich das eine oder andere Mal: nein, so nicht...


Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: wenn wir in diesen Strudel geraten, in dem wir alles und jedes persönlich nehmen und als Angriff werten, kommt es schnell vor, dass auch die Menschen, die uns aktiv helfen wollen (und die wir teils sogar dafür bezahlen, dass sie es tun), zu unseren "Gegnern" werden und wir uns angegriffen fühlen.


Was ist hier meine Rolle als Coach?


Als erstes geht es darum, wieder mehr Sicherheit zu schaffen. Der Coach sollte immer die völlig klare Position beziehen, auf der Seite der "Coachees" zu stehen. Manchmal ist der Coach tatsächlich das erste, feste Mitglied im "Team ICH" und daran sollten keine Zweifel aufkommen.

Gerät man auf dem Weg zur Veränderung jedoch in diesen Strudel, ist das nicht immer ganz einfach, woraufhin Kommunikation gefragt ist. Im besten Fall findet man den gemeinsamen Nenner wieder und kann weiter nach vorne sehen. Klappt das nicht, kommt es leider oft vor, dass der Coach ein Feindbild bleibt und das Coaching zum vermeintlichen Machtkampf wird. Aus diesem Muster wieder auszubrechen, ist enorm schwierig. Doch wenn es gelingt, kann daraus sehr viel Gutes wachsen.


Herzlich,

Fabian


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