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The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

AutorenbildFabian Kremser

Kausalität

Ursache und Wirkung. Darauf läuft letzten Endes fast alles hinaus, ob es dabei um unsere Gesundheit geht oder um das Leben im Allgemeinen ist einerlei.

Vor kurzem habe ich einmal einen dieser schönen Sprüche gelesen, der irgendwie aber etwas mehr war als der übliche Versuch, für Inspiration zu sorgen:


"Behandle deine Traumata. Tust du es nicht, werden es deine Beziehungen für dich machen".


Das kann ich wohl unterschreiben. Wie oft kommen wir in Beziehungen an Grenzen, die lediglich aus dem Grund existieren, dass wir in der Vergangenheit etwas erlebt haben, das wir nie verarbeiten konnten? Und damit sind noch nicht einmal ausschliesslich Intim- oder Liebesbeziehungen gemeint. Auch bei Freundschaften kann es passieren, dass wir Gespenstern begegnen, die nur in unseren Köpfen existieren.


Ursache und Wirkung. Kiesel, die Lawinen auslösen.


Wie ich schon gestern geschrieben habe, kann ich nicht mit Gewissheit den Finger auf einen Punkt in meinem Leben legen, der meine persönliche Lawine auslöste. Was ich aber mit Sicherheit weiss ist: möchte ich den Haufen aus Schutt und Geröll, aus dem ich mich unterdessen zwar hervorgewühlt habe, der aber immer noch meinen metaphorischen Garten zufüllt, loswerden, muss ich tief graben.


Das ist ein weiterer Punkt, den ich sowohl in meiner Ausbildung als auch in meiner Arbeit wieder und wieder erfahren und lernen durfte: egal, wie lange ein Trauma zurückliegt, es muss verarbeitet werden. Verweigern wir uns selbst diesen Prozess, wird diese innere und unsichtbare Wunde schwären, bis sich Symptome zeigen, die wir dann allerdings selten wirklich interpretieren können.


Eines dieser Symptome, das ich bei mir selbst feststelle ist, dass ich den permanenten Drang spüre, an allen Ecken und Enden und allen möglichen Leuten zu beweisen, dass ich fähig und etwas wert bin. Um das zu erreichen, lege ich Überstunden und Extraschichten ein und zögere sehr selten, meine eigenen Ziele und Wünsche hinten anzustellen.

Wie oft ich schon ein Training ganz einfach gestrichen habe, weil ich - nach Büroschluss, wohlgemerkt - noch irgendetwas für irgendjemanden erledigte, das auch ganz gut ein paar Stunden hätte warten können, weiss ich nicht mehr.


Leider ist so etwas der Beginn eines Teufelskreises. Was für mich zu dem Zeitpunkt bereits ein Symptom, also die kausale Reaktion auf ein emotionales und mentales Problem meinerseits ist, wird im Umkehrschluss wieder zur Ursache, diesmal für andere: man gewöhnt sich daran, dass es okay ist, mich zu jeder Tages- und Nachtzeit wegen den banalsten Dingen anzugehen. Und irgendwann dann auch, wütend darauf zu reagieren, wenn ich für einmal "nein" sage und mich selbst in den Vordergrund rücke.


Diese Tendenz macht weder Freude noch Freunde, sie schafft Abhängigkeiten. Und kann durchaus dazu führen, dass Drohungen ausgesprochen werden, wenn der Status Quo doch einmal zu wackeln beginnt. Meine erste Freundin kommt mir hier beispielsweise in den Sinn, mit einem Klassiker. "Wenn du dies und das machst, dann trenne ich mich von dir".

Zu Anfang mochten das grosse Dinge sein, doch ab dem Moment, ab dem ich das erste Mal in ihrem Sinn reagierte, wurde es zur wiederholten Drohung. Und nahm teilweise Formen an, die mich heute nur noch den Kopf schütteln lassen. "Wir beten vor dem Abendessen. Entweder du machst mit, oder du kannst nicht mehr zu uns kommen". "So kannst du nicht herumlaufen. Entweder du änderst was, oder wir können nicht mehr miteinander gesehen werden". "Du hast keinen gescheiten Abschluss. Entweder du holst die Matura nach, oder wir haben keine Zukunft". Und so weiter...

Das alles gipfelte darin, dass ich irgendwann einmal emotional dermassen gebeutelt war, dass ich mich nicht mehr traute, meiner eigenen Freundin von neuen Bestzeiten im Pool zu berichten, weil sie mehr als einmal in einem von Gift triefenden Tonfall darauf erwiderte: "Okay, und wie viel hast du heute für dein Abitur gemacht?"


Es ging nicht um ein Abitur, meine Kleidung oder meine Religion. Heute weiss ich das. Damals... damals machte es mich zu einem emotionalen und mentalen Krüppel, der sich weder wehren konnte noch den Weitblick hatte zu sehen, was tatsächlich geschah. Ich lebte mein Leben - DAS war es, woran Anstoss genommen wurde. Während sie damals von ihren Eltern faktisch dazu gepresst wurde, einen "normalen" Beruf zu erlernen, konnte ich so abwegige Dinge tun wie eine Profikarriere im Sport zu verfolgen und nebenher noch mein Handwerk als Coach und Trainer zu erlernen. Missgunst und Neid führten dazu, dass ich von einer Person, in die man sich einst verliebt hatte, zu einem Sinnbild für all das wurde, das einem selbst verwehrt blieb.


Ursache und Wirkung. Es geht mir hier nicht darum, jemanden zu denunzieren oder mich darüber zu beschweren, dass meine erste Freundin mir psychische Gewalt antat. Was war, war und wird sich nicht mehr ändern. Ausserdem kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass ich mich von all dem sehr gut erholt habe. Zurückzudenken tut schon lange nicht mehr weh, sondern lässt mich nur noch wundern, wie ich damals so blind sein konnte. Und mich selbst so sehr verlieren.


Gleichzeitig waren dort und sind auch in dieser Erkenntnis diverse Lektionen: es ist einfach, sich selbst zu verlieren, vor allem, wenn man verliebt ist. Noch einfacher ist es, anderen Menschen eine fast schon obszöne Menge an Macht über einen selbst zu geben.


Wenn ich von all dem etwas an jüngere Generationen weitergeben kann, dann ist das: passt auf euch auf. Denkt daran, dass alles, was ihr tut, die Ursache für eine Wirkung ist und alles, was ihr fühlt und erlebt, die Wirkung auf eine Ursache. Und wenn es euch dabei nicht gut geht: sucht diese Ursache und sucht vor allem die Kraft, daran etwas zu ändern. Ich hatte sie lange nicht, wofür ich mich auch nicht schäme. Passt auf euch auf.


Herzlich,

Fabian


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