Nach dem Rennen ist... ja, wir alle kennen die Sprüche. Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf, der frühe Vogel fängt den Wurm und wer im Glashaus sitzt, ist irgendwo mal falsch abgebogen oder hat seinen Social Media-Konsum nicht im Griff. Ach, das Sprichwort geht anders?
Trotzdem. Nach dem Wettkampf. Da war doch was...
Mir ist klar, dass es in den letzten Tagen und Wochen hier um nicht viel anderes als den Ironman Kopenhagen ging, in irgendeiner Form zumindest. Wobei man damit ja auch durchaus hätte rechnen können, wenn man auf die Website eines Sportlers klickt. Und es geht noch weiter, denn für mich beginnt nun eine Zeit, in der ich sehr viel falsch machen kann, gleichzeitig aber sehr vieles richtig machen sollte: die Zeit nach dem Saisonhöhepunkt und die Zeit vor dem letzten Rennen des Jahres.
Zugegeben, diese beiden neuralgischen Punkte fallen bei mir heuer sehr nahe aufeinander. Hätte ich eigentlich nicht als meine ideale Saison so geplant, aber gut. Wie analysiert man einen Ironman?
Natürlich sind da zum einen die Zahlen. Die habe ich mir bereits angesehen, einige Notizen gemacht und mir auch ausgerechnet, was da an Arbeit in den kommenden Wochen und Monaten auf mich zukommt. Ich brauche dieses und jenes, werde einiges gleich machen und anderes nicht mehr. Und dann ist da natürlich auch noch die Peripherie. Denn: Triathlon, besonders Ironman, ist nun mal so viel mehr als Schwimmen, Rad fahren und Laufen. Es ist ein Lebensinhalt, ein Lebensstil, für den man sich ganz bewusst entscheidet. Dabei spreche ich nicht von Finisher-Shirts und Tattoos, die jedem, der danach fragt (und noch öfter denen, die das nicht tun) ins Gesicht schreien: Hey, ich bin eine Maschine, hab' gefälligst den nötigen Respekt vor mir!
Das soll machen wer will, doch mein Ding ist es nicht. Für mich heisst es, dass ich mein Leben danach ausrichte, dass ich alle Aspekte des Sports so gut wie nur irgend möglich abdecken und bedienen kann. Und das sind einige mehr als nur die eben erwähnten drei Disziplinen:
Abstand und Erholung. Abschalten ist etwas, das wir mehr und mehr verlernen. Wir sind 24/7/365 vernetzt, verbunden, auf Empfang und sendebereit. Wie sehr ich in diesem Strudel war und bin wurde mir erst in den letzten Tagen bewusst, als mir viel Digitales einfach einmal fehlte - und es mir eben überhaupt nicht fehlte. Darum weiss ich und entscheide für mich: weniger Social Media, weniger Computer, weniger bewegte Bilder. Kein Fernseher, Netflix und co. gehören zum Rollentraining. Stattdessen...
Licht und Ruhe. Nein, ich meine damit nicht, dass ich nun zu meditieren beginne (doch, schon, aber nicht um eine Erleuchtung zu erlangen), sondern ganz wortwörtlich: ich will in meinem Leben mehr Helligkeit, Gemütlichkeit, Wärme und Ruhe. Decken, Kissen, weisse Vorhänge, Kerzen, Tee, Bücher. Dinge, die das Herz erfreuen und es gleichzeitig erholen lassen.
Umfeld. Klar, wir Triathleten sind der Steppenwolf in Vollendung, doch mal ganz ehrlich: ohne ein gutes, wirklich gutes und enges Umfeld ist der Mensch nun mal nichts. Ich will mir das aktiv und besser aufbauen, mehr Zeit mit Menschen verbringen, die ich mag und die mir gute Energie geben - und umgekehrt.
Beweglichkeit. Das ist mir ganz wichtig: in den letzten Wochen wurde es bei mir zwischendurch fast "normal", dass ich irgendwo, irgendwie Schmerzen hatte. Ich will mir mehr Zeit nehmen, meinem Körper Sorge zu tragen. Ich verlange so viel von ihm, das ist nur gerecht.
Analyse und Technologie als Hilfsmittel, nicht als Zweck. Ich habe viele Gadgets, die zum Teil nützlich, zum Teil spannend und zum Teil auch einfach unnötig sind. Hier nehme ich mir vor, besser Acht zu geben auf Dinge, die ich wirklich brauche und die nützlich sind - und den ganzen Rest nach und nach aus meinem Leben zu entfernen, denn brauchen tu' ich das in dem Fall wirklich nicht.
No Bullshit. Ich will und werde öfter NEIN sagen. Ich mag mir schlicht keinen Blödsinn mehr anhören, ich habe die Schnauze gestrichen voll von Menschen, die vor sechs Monaten noch mit den Hausaufgaben ihrer Erstklässler überfordert waren und nun Experten für Immunologie, Virologie, Ernährungslehre, Sportwissenschaften, Biologie und überhaupt sind. Das muss nicht ausarten, doch für solche Gespräche stehe ich in Zukunft nicht mehr zur Verfügung.
...und noch so einiges mehr, denke ich mal. Aber dazu muss ich erst nochmals in mich gehen. Ich fange mal bei Punkt Nr. 1 an und stelle diese Kiste hier ab für heute. In diesem Sinne.
Herzlich,
Fabian
39/365
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